Biologisch-dynamischer Anbau von Tafeltrauben

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28.05.2018 22:12
avatar  urmel
#101
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Das mit der Hefe hört sich gut und genau so logisch an wie die Sache mit den Milchsäurebakterien. Wäre gut geeignet für Behandlungen nach der Blüte bis zur Reife.

Die Frage wäre nun noch ob Hefepilze und Milchsäurebakterien sich vertragen oder ob es Antagonisten sind.

Weiß das von Euch jemand?


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28.05.2018 22:44
avatar  Dietmar
#102
Di

Kurzzeitig kann man Hefepilze und Milchsäurebakterien kombinieren, z.B. in Form von Quarkkuchen.

Langfristig bin ich da skeptisch. Milchsäurebakterien erzeugen, wie der Name sagt, ein saures Milieu und sehr viele andere Bakterien und Pilze mögen das überhaupt nicht.

Beispiele:
- Milchsäurebakterien und falscher Mehltau: man spritzt ja genau deswegen, um diese Pilzinfektion zu bekämpfen
- Das müssten die Damen wissen: Scheideninfektionen werden durch einen Hefepilz hervor gerufen. Wie wird dieser bekämpft? Mit Milchsäurebakterien! --> z.B. mit stinknormalem ungesüßten Jogurth
- Darmsanierung nach Breitband-Antibiotika-Behandlung: Häufig wird durch Breitband-Antibiotika als Nebeneffekt die natürliche Darmflora abgetötet (und damit die Schutzfunktion gegen Erreger) und es entsteht oft eine Hefepilzinfektion (da die natürlichen Gegenspieler nicht mehr da sind). Was wird dann verschrieben? Kapseln mit Milchsäurebakterien bzw. man soll viel Jogurth essen.

Nun sind das in der Regel andere Hefen als die Backhefe, aber sie gehören zur selben biologischen Gattung und da ist die Vermutung nicht von der Hand zu weisen, dass sich Milchsäurebakterien auch bei der Backhefe durchsetzen werden, also diese abtötet.


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31.05.2018 00:46
avatar  Reblaus
#103
Re

Das Konkurrenzprinzip ist nicht der führende, sondern nur ein willkommener Nebeneffekt. Die Behandlung mit diversen Tees beruht darauf, dass bestimmte Pflanzenstoffe andere Pflanzen in der Immunität gegen äußere Einflüsse stärken. So dringt z.B. die Kieselsäure von Ackerschachtelhalm, Mädesüß und Brennnessel und anderen kieselsäurehaltigen Pflanzen in die Wände der Blattzellen der behandelten Pflanzen ein und macht sie widerstandsfähiger gegen den echten Mehltau.

Die Milch wiederum enthält neben den bereits genannten Bakterien z. B. u. a. Natriumphosphat, ein Bestandteil der Phosphorsäure, was zwar einerseits direkt den Mehltaupilz angreift, aber viel wichtiger über die Blattzellen in das Blatt eindringt und aktive Schutzwirkung entfaltet. Phosphorsäure ist auch in Phosfik enthalten, was manche von Euch als Blattdünger einsetzen. Was mancher vielleicht nicht kennt, ist die vorbeugende und kurative Wirkung von Phosfik gegen Mehltau. Allerdings ist Phosphorsäure sehr stabil, baut sich nur wenig ab und ist somit auch noch in den reifen Beeren nachweisbar. Deshalb sollte man es mit Phosfik nicht übertreiben. Ich selbst nutze es nicht.

Insofern hat Botaniker recht, wenn er auch beim Einsatz von Milch vom Einsatz chemischer Mittel spricht. Aber hier sprechen wir über natürlich vorkommende, nicht synthetisch hergestellte und in der Wirkstoffmenge gering dosierte Wirkstoffe. Wer denkt beim Milchtrinken schon an Säure? Die Pflanzen sollen wie bei einer Impfung beim Menschen einen Impuls von außen erhalten, um das eigene Immunsystem stärker zu aktivieren. Diese Wirkungsmechanismen sind sehr komplex. Komposttee enthält z. B. u. a. Humin- und Fulvosäure, was ebenfalls in die Zellen eindringt und das Immunsystem der Pflanzen stärkt usw. usw.. Diese Effekte wirken aber nur lokal begrenzt, da diese immunisierenden Pflanzenstoffe nicht wie systemische Mittel durch die Pflanze hindurch transportiert werden und somit auch die Pflanzenteile schützen, die von der Spritzung nicht erreicht wurden. Deshalb muss man die von mir beschriebenen Spritzungen sehr sorgfältig durchführen, um auch jeweils die frischen Neutriebe zu erwischen.

Tee für Reben zu kochen mag für manche sicherlich belustigend sein, aber nur, wenn man die tiefergehende, viel filigraner wirkende, wenn man so will ebenfalls chemischen Wirkungsweisen nicht kennt bzw. anerkennt. Die spannende Frage für mich ist: reicht das, was ich mache, am Ende aus?

Wer nur synthetische Mittel einsetzt, ist auch nur deren schnelle und radikale “Hammerwirkung” gewohnt und nicht für die aufwändigen, kleinen, langwierigen, weniger effizienten aber nachhaltigeren Schritte der biodynamischen Bewirtschaftung empfänglich. Das kann ich durchaus nachvollziehen.


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31.05.2018 11:05
avatar  Dietmar
#104
Di

Zweifellos sind manche Pflanzentees durchaus wirksam, aber von der Wissenschaft kaum erforscht. Das liegt nicht an den Wissenschaftlern, sondern am Vergabesystem für Fördermittel, denn über 90 % der Wissenschaftler werden über Projekte finanziert und ich kann mir nicht vorstellen, dass angesichts der sehr sehr knappen Mittel, die der Wissenschaft noch zur Verfügung stehen, so dass Hunderttausende Jobs gefährdet sind, solche "weichen" Forschungsthemen auch nur die geringste Chance auf Förderung haben. Wenn man im Internet irgendwelche Artikel findet, stammen diese von privaten Pionieren auf diesem Gebiet oder von Scharlatanen/Esoterikern. Es ist unglaublich schwer, diese beiden Gruppen von Autoren auseinander zu halten.

Letztlich kann man nur mit hohen Misserfolgsrisiko selber testen, was reale Wirkungen sind und was nur Heilsversprechen. Insofern müssen wir alle dankbar sein, wenn sich Hobbywinzer mit diesen Problemen beschäftigen.

Es gibt ja durchaus Beispiele, wo zunächst von vielen verlachte Methoden mittlerweile gut erforscht und zum Standard wurden, z.B. Molke und Backpulver. Die Wirkung von Algensuspensionen waren natürlich zu 90 % Esoterik, aber ein Bestandteil davon hat sich als wirksam erwiesen und wird jetzt als Phosfik verkauft.

Auch die Wirkung von Kieselsäure ist (in hohen Konzentrationen) nachgewiesen, aber solche sind wohl kaum mit z.B. Brennnesseltee zu erreichen. Bei Kieselsäure ist das Hauptproblem, dass diese nur eine sehr sehr niedrige Wasserlöslichkeit hat und Pflanzen können nur gelöste Kieselsäure aufnehmen. Oder habt Ihr schon einmal versucht, Sand in Wasser zu lösen und Sand ist Kieselsäure pur. Deshalb hat man den Umweg über das wasserlösliche Wasserglas gemacht. Es gibt durchaus eine milde, aber nachweisbare Wirkung, aber Wasserglas hat einige große Nachteile, z.B.:
- mit der Zeit werden die Düsen der Spritze zugesetzt, da sich eine Glashaut absetzt und diese ist nicht mehr wasserlöslich
- Wasserglas geht ganz schnell eine chem. Verbindung mit z.B. Glas ein. Ein paar Spritzer Wasserglas und die Glasscheibe wird trübe


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11.06.2018 22:53
avatar  Reblaus
#105
Re

Zitat von Dietmar im Beitrag #104
Auch die Wirkung von Kieselsäure ist (in hohen Konzentrationen) nachgewiesen, aber solche sind wohl kaum mit z.B. Brennnesseltee zu erreichen.


Die Kieselsäure liegt in einer Form vor, in der sie durch Erhitzen auf 80°C und einer anschließenden Standzeit von 24 Stunden aus den Pflanzen herausgelöst werden kann. Und diese Menge wird dann sogar noch einmal 1:10 verdünnt auf die Reben aufgebracht. Die herausgelöste Menge reicht folglich mehrfach aus. Man kann auch fertigen Schachtelhalmextrakt kaufen.

Biodynamiker arbeiten nicht mit hohen Dosen, weil die Pflanzen das nicht benötigen. Sie arbeiten grundsätzlich mit geringen Dosen, gerade soviel, um die Immunabwehr der Pflanze anzuregen.

Anbei zwei Bilder der Sommergründüngung. Was für eine tolle Wurzel- und Biomasse! Der Garten ist voller Bienen, Wildbienen, Hummeln etc. Ein kostenloses Freiluftkonzert! Und man entdeckt ständig neue Insekten und Käfer, die man vorher noch nie gesehen hat. Unglaublich, wieviel Leben auf wenigen Quadratmetern entsteht, wenn man der Natur die Möglichkeit dazu gibt.

Doch jetzt geht es der ca. 1,6 Meter hohen Gründüngung an den Kragen. Sie wird mit einer Walze platt gewalzt (rechtes Foto). Die fleischigen Stengel werden abgeknickt, aber nicht durchtrennt. Das verhindert ein weiteres Wachstum und reduziert so die Wasserkonkurrenz zu den Reben. Zudem steigt mit zu hoher Gründüngung die Mehltaugefahr. Doch die Pflanzen bleiben am Boden liegend am Leben, dienen weiterhin als Bienennahrung und warten so darauf, Ende Juni gemulcht zu werden. Mein Knoblauch und der Lauch sind nicht mehr zu sehen. Der Druck der Gründüngung war scheinbar zu stark. Schade, das hat leider nicht funktioniert.

Dieses Jahr lasse ich alle Triebe und alle Geize wachsen mit dem Ziel, viel Blattmasse zur Stärkung der Reben zu erzeugen, die ins Holz eingelagert werden. Gleichzeitig habe ich die Gescheine drastisch reduziert, damit die Reben mehr Kraft ins Wachstum investieren. Um die Blattmasse gesund zu halten, werden die einzelnen Triebe per Hand nach Bedarf am Drahtgerüst nach links und rechts verschoben, also geordnet. Das bedeutet Aufwand, erzeugt aber eine luftdurchlässige Laubwand. So trocknen die Blätter nach Regenfällen leichter und man erreicht die Blätter besser bei den Spritzungen, was für die biodynamische Arbeitsweise besonders wichtig ist.

Bisher zeigt nur Rizamat Ustoijtschivij Krankheitszeichen, genau wie letztes Jahr. Ihre Resistenzwerte liegen aber auch nur knapp über dem Durchschnitt, sie ist für den biodynamischen Anbau demnach nicht geeignet und wird ersetzt.

|addpics|hus-e-5e78.jpeg,hus-f-12d9.jpeg|/addpics|


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11.06.2018 23:25
#106
Vo

Warum wohl halten die Winzer jede zweite Zeile frei?


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11.06.2018 23:45
avatar  Dietmar
#107
Di

Zitat
Warum wohl halten die Winzer jede zweite Zeile frei?



Weil sie bis Zwei zählen können.


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11.06.2018 23:48
avatar  Dietmar
#108
Di

@Reblaus

Nichts gegen Gründüngung. Aber hast Du auch Reben stehen? Die Gründüngung scheint diese zu dominieren.


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12.06.2018 17:33
#109
Vo

Die Gründüngung tritt in heißen trockenen Sommern in Wasserkonkurrenz zu den Reben.

https://www.landtreff.de/post1320757.html#p1320757


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12.07.2018 21:54
avatar  Reblaus
#110
Re

Vorderpfälzer hat recht, aber das gilt halt nur für trockene Sommer. Deshalb ziehen wir unterschiedliche Schlüsse daraus. Ich kann als Hobbygärtner die Gründüngung jederzeit an die jeweilige Wetterlage anpassen. In normalen Jahren kann ich die Gründüngung auf das gewünschte Maß einkürzen und in sehr trockenen Sommern sehr niedrig halten. In einem nassen Frühsommer wie in diesem Jahr kann ich die Gründüngung so lange wachsen lassen, bis wieder Trockenheit droht. So entsteht keine Wasserkonkurrenz. Auf diese Weise konnte ich dieses Jahr das Maximum an Gründüngung erzeugen. Schaut die Stärke der Triebe und die Blätter von diesen zweijährigen Reben an: keine Spur von Wassermangel. Wer also auf zwei zählen kann, ist im Vorteil! Das Mulchen der Gründüngung kam allerdings gerade rechtzeitig vor der momentan viel zu langen Trockenperiode.

Zunehmend mehr Winzer nutzen übrigens die zweite Gasse zumindest für eine temporäre, jedoch niedrige Gründüngung. Sie können mit ihren vielen Hektar Reben halt nicht so individuell reagieren wie ein Hobbygärtner und halten zur Vermeidung von Trockenstress in den meisten Fällen im Sommer die zweite Gasse frei.

Ich habe bisher folgende Lehren aus diesem Jahr gezogen:

Ich muss ehrlich konstatieren: einige der niedrig wachsenden Rebenblätter zeigen einen Befall mit falschem Mehltau. In mehreren Fällen zeigen sogar niedrig wachsende Trauben einen Mehltaubefall. Das hatte ich bisher noch nie. Ich entferne bei meinen Durchgängen alle befallenen Blätter und Trauben und entsorge sie außerhalb des Gartens. Das scheint zu helfen, die weitere Ausbreitung zu verhindern. Die Gründüngung war in diesem Fall insgesamt zu hoch und hat eine Trocknung der nassen Blätter und Trauben verhindert. Ich hätte früher reagieren müssen. Nächstes Jahr wird sie einfach rechtzeitig eingekürzt. Zumindest ermöglicht das Entfernen der unteren Blätter eine bessere Sonneneinstrahlung auf die restlichen Trauben. Beim Entblättern entfernen die Winzer jedenfalls deutlich mehr Blätter als ich mit den Mehltau-Blättern.

Die oberen Triebe befinden sich mittlerweile auf 2,5 - 3 Meter Höhe. Da ist mit dem kurzen Schlauch der Rückenspritze nicht gewährleistet, dass man bei der Spritzung alle jungen Blätter sorgfältig erwischt, d.h. ich muss die Spritze verlängern.

Das Walzen der Gründüngung hat bewirkt, dass die Pflanzen extrem dicht am Boden liegen und vom Rasenmäher nicht richtig erwischt werden. Das Mulchen dauert doppelt so lang. Wieder ein zusätzlicher Arbeitsgang!

Einige Trauben sind extrem lockerbeerig. Bei genauem Hinschauen sieht man, dass die Blüten dazwischen schwarz sind. So wie ich das sehe, bzw. wie Jakob an anderer Stelle bereits geschrieben hat, war auch hier die Feuchtigkeit zu hoch und die Blüten sind verschimmelt. Ärgerlich! Im nächsten Jahr werde ich deshalb vor der Blüte Netzschwefel einsetzen.

Einige andere Trauben sind stark verrieselt. Viele davon lohnt es gar nicht in Organzabeutel zu packen. Die Ursachen hierfür können ja mannigfaltig sein. Vielleicht hat ja einer von Euch gute Tipps auf Lager, wie man das Verrieseln vermeiden kann. Vielleicht haben die Reben zu viel ins Wachstum investiert?

Es hat mit Viktor eine zweite Rebe mit niedriger Resistenz heftig mit falschem Mehltau erwischt. Diese habe ich versuchsweise individuell mit einer sehr schwachen Kupferspritzung (Kupferoktanoat) behandelt. Das hat hervorragend funktioniert. Für einen Biodynamiker erscheint dies als ein vertretbarer Kompromiss. Nur einige sehr wenige Reben werden mit einer schwachen Kupferlösung behandelt, der Rest der Reben den Regenwürmern zuliebe nicht.

Insgesamt sieht es was die Rebengesundheit angeht noch alles recht gut aus und ich bin mit gewissen Einschränkungen zufrieden. Den echten Mehltau habe ich bis jetzt scheinbar im Griff, und das ohne jeglichen Einsatz von Chemie.

Aber es wird dieses Jahr eine sehr magere Ernte (manche Reben tragen wenig, manche gar nicht, bei den übrigen hatte anfänglich viele Gescheine rausgeschnitten, dann Verrieselung, dann teilweise Mehltau an den Beeren, jetzt lange Trockenheit) und wir haben ja erst Anfang Juli. Da kann noch einiges kommen. Wenn ich mir die tollen Bilder Eurer Trauben anschaue, kann ich leider nicht annähernd mithalten. Aber meine Reben sind ja erst im 2. Standjahr und somit noch jung. Trotzdem kann man da neidisch werden …

Und die Sorte Anja bringt wieder keine Trauben hervor, dabei ist sie absolut gesund und wird gut behandelt. Mittlerweile das 5. Jahr ohne Ertrag. Woran liegt das wohl? Hat da jemand (am besten ein Frauenversteher) eine Idee?

Abschließend noch folgende Info: Ich habe Herrn Schmidt angeschrieben, ob er wieder was außer der Reihe anbietet. Falls es jemand interessiert: dieses Jahr hat er noch Dolgoschdanni, Stoletie, KM Balliet, Galachad und Serafimovski in kleiner Stückzahl im Angebot.
|addpics|hus-g-02f8.jpeg,hus-h-7c57.jpeg|/addpics|


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