Mein zusammengelesenes Nichtwissen - eure Hilfe

02.01.2022 20:57
#1
Gl

Hallo zusammen!
Zunächst einmal herzlichen Dank an alle, die hier Zeit und Wissen investieren und allen ein gutes, ertragreiches Jahr 2022. Das Forum ist schon für einen anonymer Informationsschmarotzer klasse
Bevor ich mit meinem Nichtwissen jedoch den Bildschirm verlasse und die Schaufel und Rebschere in die Hand nehme, wollte ich mir möglichst viele Anfängerfehler ersparen und hoffe auf ein paar weitere Hilfestellungen.
Wir haben das Glück und konnten einen kleinen Rebhang in der Nähe von Freiburg bei uns im Dorf kaufen (ca 20mx65m=1.300qm). Der Streifen liegt inmitten eines Rebhangs, scheint also nicht ganz so schlecht für den Anbau zu sein. Derzeit und seit Jahren ist dort Grauburgunder gesetzt, der Vorbesitzer würde uns aber alles rausreißen, wenn wir wollen. Da ich definitiv Tafeltrauben haben möchte (vor allem, da wir versuchen möchten nicht zu spritzen und das bei Grauburgunder wohl ein Ding der Unmöglichkeit ist, und ich gerne mehr Geschmacksvielfalt hätte), ist das für Februar geplant. Wir sind absolute Anfänger was das Thema Trauben und Reben angeht. Mit Obstbäumen habe ich ein bisschen Erfahrung, ansonsten mit normalem Gärtnern (Tomaten, Himbeeren, Erdbeeren,....) Ich tippe mal die Gedanken so vor mich hin:
Setzen wollten wir im April auf dem mittleren Hangstück. Oben wirds doch arg steil und natürlich habe ich keine Schlepper oder sonstige Maschinen. Das untere Drittel ist total flach und da sollen Obstbäume hin. D.h. es bleiben in meinen Gedanken bei 20m Breite locker 15-20m Höhe.
Der Reihenabstand ist beträgt derzeit gut 2m. Ich hoffe, dass die Spaliere soweit erhalten bleiben, dass wir sie trotz Ausriss weiternutzen können. Das ergäbe dann 10 Reihen. Innerhalb der Reihen habe ich verstanden, dass der Setzabstand bei Tafeltrauben weiter ist als bei Weintrauben: 4m zwischen zwei Rebstöcken. Das ergäbe dann bei gut 15m Breite Platz für 10x4-5 =40/50 Reben. Wenn es gut läuft, wachsen dort dann mal 8-12kg pro Stock, ergo 300-400kg Trauben. Das reicht mir als Privatmensch zum Verzehr und geplantem Saft locker.
Die örtlichen Rebschulen haben viele Weintrauben im Angebot, aber maximal 3-5 Tafeltrauben und scheinen da nicht allzu bedarft zu sein. So bin ich bei der Rebschule Schmidt gelandet, die hier recht gut wegkommt (?). Bei den Sorten soll es ca 50/50 rot und weiß werden, möglichst pflegeleicht (kein Spritzen) und kernarm bis kernlos, wenn möglich.
Zehn Reihen bieten recht gut Platz für zehn Sorten mit je vier Exemplaren? Gelandet bin ich u.a. bei
rot: Venus, Velicka, der Klassiker Mouscat bleu
weiß: Arkadia, Velez, BV 47-1-6 (was ein Name :D), Frumoasa, Jana, Kischmisch Lorus, Aroczny.
Konkrete Fragen, die ich hätte, und bei denen ich mich wirklich über jegliche Hinweise freue:
A) ist das oben alles kompletter Unfug oder klingt das annähernd machber?
B) würdet ihr persönlich gleich mit den 40 Pflanzen starten, oder übernehme ich mich da komplett, wenn wir das nebenbei machen möchten=
C) passt der Setzzeitpunkt? Was mir dabei insbesondere nicht klar wurde: wenn ich im Frühjahr setze - welcher Grundschnitt ist erforderlich? Oder gar keiner?
D) Tipps zu den Sorten? Die Rebschule Schmidt klang soweit gut, aber grundsätzlich bin ich offen. Was ich aus Freiburg heraus erreichen kann, ist mir fast noch lieber als Versand.
E) Detail: der Rebhang wurde laut Vorbesitzer nicht aktiv bewässert. Das scheint in einem normalen Jahr (Sommer) bei Tafeltrauben denkbar, richtig? Oder gilt bspw im Setzjahr zwingend Bewässerungsempfehlung? Das wäre für mich nicht so einfach, da kein Schlepper und am Rebhang natürlich kein Wasseranschluss.

Ganz herzlichen Dank an euren Erfahrungsschatz!


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03.01.2022 02:22
avatar  Dietmar
#2
Di

Zunächst einmal wünsche ich Dir viel Erfolg bei Deinem Vorhaben. Natürlich helfen wir Dir gern. Das Hobby Tafeltrauben macht regelrecht süchtig. Wer die Anfangsschwierigkeiten bewältigt, kann nicht mehr davon ablassen.

Zum gewolltem Nichtspritzen: Alle, die überhaupt nicht spritzen wollten, sind auch mit den pilzfestesten Sorten gescheitert. Es gibt sehr pilzfeste Sorten wie Muskat Bleu und mit einem luftigen Stockaufbau kann man viel erreichen, aber ein Minimalspritzaufwand ist trotzdem sinnvoll. Die einzige wirklich pilzfeste PiWi-Sorte, die Du aufgeführt hast, ist Muskat Bleu, aber Du willst ja kernarme oder kernlose Sorten und es gibt kaum eine andere Sorte, die störendere Kerne als Muskat Bleu hat. Eine kleine Muskat-Bleu-Beere besteht aus 4 riesigen Kernen, einer zähen Beerenhaut und ca. 2 Tropfen köstlichen Saftes, aber kein Fruchtfleisch. M.B. hat weitere häßliche Eigenschaften, so daß ich M.B. schon vor vielen Jahren wieder gerodet habe. Die allermeisten von Dir aufgeführten Sorten außer Venus haben nur eine mittlere Pilzfestigkeit. Venus hat eine riesige Laubwand, aber nur sehr kleine Trauben und Beeren. Mal abgesehen von der für meinen Standort z.T. zu späte Reifezeit, würde ich keine einzige der von Dir aufgeführten Sorten anbauen, meist wegen des erforderlichen zu hohen Spritzaufwand. Ich spritze zwar, aber wie wir wahrscheinlich alle hier im Forum möchte ich so wenig wie möglich spritzen. Dafür braucht man eben sehr pilzfeste Sorten.

Ratschlag: Baue nicht vorschnell irgendwelche Sorten an, um Deinen Weinberg schnell voll zu bekommen. Du merkst erst nach mehreren Jahren, was eine Sorte taugt und dann hast Du schon viele Jahre Hoffnung und Geld sinnlos investiert. Nutze bei Deiner Sortenwahl unsere Erfahrungen.

Außer den Pilzkrankheiten haben Reben weitere Todfeinde, z.B. die Kirschessigfliege und der Traubenwickler. Beide befallen vorwiegend rote und blaue Sorten. Wenn Dein Weinberg inmitten eines größeren Weinberges liegt, dann kannst Du von Pheromontafeln Deiner Nachbarn eventuell profitieren, die den Traubenwickler verwirren. Gegen die Kirschessigfliege hilft keine Chemie, da diese erst unmittelbar vor der Reife die Trauben befällt, so daß praktisch kein Spritzmittel wegen der Wartezeiten mehr eingesetzt werden kann. Die Profiwinzer haben eine Sondergenehmigung und dürfen noch bis 24 h vor der Lese spritzen. Wenn Du an diese Spritzmittel irgendwie kommen würdest, dann hast Du Tafeltrauben wie in der Kaufhalle, die total überspritzt worden sind. Da wir solche Trauben nicht essen wollen, bauen wir selbst Tafeltrauben an.
Wir Hobbywinzer haben eine "Waffe" gegen Kirschessigfliege und Traubenwickler, die Profiwinzer aus Kostengründen nicht einsetzen können - den Organzabeutel. Da Deine geplante Fläche schon recht groß ist, würde das aber schon recht teuer werden. Du bräuchtest die Größe 30x40 cm.

Zunächst eine Frage: Warum willst Du so viele Tafelreben anbauen? Kannst Du diese wirklich verbrauchen bzw. vermarkten?

Wenn Du Saft machen willst sind Tafeltrauben nicht gut geeignet. Einer der Unterschiede zwischen Tafel- und Weintrauben besteht darin, daß Tafeltrauben ein festes Fruchtfleisch besitzen und Weintrauben nicht. Wenn Du Tafeltrauben auspresst, dann entsteht durch das Fruchtfleisch eine Art Mus, bei Weintrauben dagegen Saft. Achtung: Dampfentsafter eignen sich nicht zum Entsaften von Trauben. Der dampfentsaftete Traubensaft schmeckt scheußlich. Kaltgepreßter Saft ist aber nicht lange haltber. Die Haltbarmachung von Traubensaft gelingt einem Industrieunternehmen mit genauer Meß- und Prozeßtechnik, aber kaum einem Laien. Wird der Traubensaft zur Haltbarmachung zu wenig erhitzt, dann ist er nicht steril und nur wenige Grad zu viel und er schmeckt scheußlich.

Wenn Du wirklich Saft oder Wein machen willst, dann gibt es unter den Weintrauben auch sehr pilzwiderstandsfähige Sorten, z.B. Solaris und Muscaris. Fürs Saftmachen spielen Kerne keine Rolle. Auch als Wein schmecken mir diese gut, besser als Riesling, der etwas nach Petroleum riecht und schmeckt.

Für eine sinnvolle Sortenwahl bei Tafeltrauben können Dir andere Forumsfreunde gute Vorschläge machen, die in Deiner Gegend wohnen, z.B. Jakob. Ich wohne in einer kälteren Gegend, so daß ich ganz andere Kriterien an die Sortenwahl stellen muß.

Dein Weinberg und Dein ebenes Grundstück hat ja nun ein ideales Klima für wärmeliebende Sorten. Darunter gibt es welche, die gar nicht gespritzt werden müssen, z.B. Feigen und Indianerbanane und letztere gibt es auch nicht als Frucht in D zu kaufen. Wegen der Befruchtung brauchst Du aber jeweils meist zwei zueinander passende Sorten.
Zum Vergleich: Äpfel werden im Profianbau im Jahr 36 x gespritzt!


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03.01.2022 11:00
#3
Gl

Hallo Dietmar, wow, danke für deine ausführliche Antwort!!

Zitat von Dietmar im Beitrag #2
Zum gewolltem Nichtspritzen: Alle, die überhaupt nicht spritzen wollten, sind auch mit den pilzfestesten Sorten gescheitert. Es gibt sehr pilzfeste Sorten wie Muskat Bleu und mit einem luftigen Stockaufbau kann man viel erreichen, aber ein Minimalspritzaufwand ist trotzdem sinnvoll.

Das habe ich fast befürchtet. Ich habe in meinem Garten noch nie gespritzt. Wo kauft man denn Spritzmittel? Woher weiß ich welche möglichst unschädlich (zum Verzehr) sind? Und kann ich dann einfach durch die Reben laufen und ein bisschen Aufspritzen?
Was ist denn ein "Organzabeutel"?
Die Äpfel, die wir ernten, werden nur minimal 1-2 pro Jahr gespritzt, mehr nicht. Wenn ich so hinkäme, wäre das spitze!

Ratschlag: Baue nicht vorschnell irgendwelche Sorten an, um Deinen Weinberg schnell voll zu bekommen. Du merkst erst nach mehreren Jahren, was eine Sorte taugt und dann hast Du schon viele Jahre Hoffnung und Geld sinnlos investiert. Nutze bei Deiner Sortenwahl unsere Erfahrungen.

Zitat von Dietmar im Beitrag #2
Zunächst eine Frage: Warum willst Du so viele Tafelreben anbauen? Kannst Du diese wirklich verbrauchen bzw. vermarkten?

Bauchgefühl Wir machen seit zwei Jahren Apfelsaft. Letztes Jahr so 450kg, alles per Hand, und da kamen 200l raus. Wir haben drei Kinder, da gehen schon 150l pro Jahr durch. Und der Rest ist ein mehr als gern gesehenes Geschenk für Freunde. Daher dachte ich: so 100-150l Traubensaft bekommt man immer weg (in Gewicht also 150-200kg). Durch deinen Hinweis lerne ich: dafür brauchts gar keine Tafeltrauben. Und den Rest, 100kg, hätten wir gegessen bzw eben verteilt. Für 300kg Trauben kam ich auf 40-50 Rebstöcke.
Dazu gibt es die Fläche eben her. Sonst muss ich ja "nur" die Natur im Schach halten, damit mir der Hang nicht verwildert, und wenn ich schon mähe, kann ich auch um Reben mähen - so der Gedanke.

Macht es zum Saftmachen Sinn den Grauburgunder zu belassen, oder schmeckt der nicht? Kann ich nicht mit meiner Saftpresse für den Apfelsaft rangehen und den Saft auf 80° erhitzen? So bekomme ich meinen Apfelsaft super mit Haushaltsmitteln haltbar gemacht. Mir ist noch kein einziger Liter Saft gekippt. Klar, der frische Saft schmeckt noch besser, aber geht halt nicht in haltbar.

Zitat von Dietmar im Beitrag #2
Wenn Du wirklich Saft oder Wein machen willst, dann gibt es unter den Weintrauben auch sehr pilzwiderstandsfähige Sorten, z.B. Solaris und Muscaris. Fürs Saftmachen spielen Kerne keine Rolle. Auch als Wein schmecken mir diese gut, besser als Riesling, der etwas nach Petroleum riecht und schmeckt.

Für eine sinnvolle Sortenwahl bei Tafeltrauben können Dir andere Forumsfreunde gute Vorschläge machen, die in Deiner Gegend wohnen, z.B. Jakob. Ich wohne in einer kälteren Gegend, so daß ich ganz andere Kriterien an die Sortenwahl stellen muß.

Freue mich auf Tipps! Vielleicht dann ja 10-20 Weinreben, und "nur" 10 Tafeltrauben? Und ja klar, ich werde versuchen möglichst viel verschiedenes Obst anzubauen, immer nur 1-2 Bäumchen. Hauptsache Vielfalt


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03.01.2022 14:37
avatar  Dietmar
#4
Di

Zitat
Wo kauft man denn Spritzmittel? Woher weiß ich welche möglichst unschädlich (zum Verzehr) sind?



Jedes Spritzmittel ist bei entsprechender Dosis bzw. falscher Anwendung gesundheitsschädlich. Aber Spritzmittel, die im biologischen Weinbau zugelassen sind, sind bei sachgemäßer Anwendung akzeptabel. Darüber hinaus gibt es in Bau- und Gartenmärkten nur relativ ungefährliche Spritzmittel zu kaufen. Ein Beispiel dafür ist Teldor/Fungor gegen Botrytis. Aber immer Dosierung genau beachten. Weniger hilft nicht und mehr hilft nicht mehr und kann sogar die Reben schädigen. Bei Mitteln, bei denen Wartezeiten (bis zur Lese) zu beachten sind, sollten diese unbedingt beachtet werden, z.B. Kupfermittel, Teldor/Fungor. ... und so spritzen, daß man keinen Spritznebel einatmet, also nicht bei Wind bzw. gegen den Wind und mit Mund-Nasen-Schutz.

Beispiele für Spritzmittel im biologischen Weinbau:

Oidium (echter Mehltau): Natron 1%, Netzschwefel, Molke 10 %

Pero (falscher Mehltau): diverse Spritzmittel auf Kupferbasis, Phosfik (ich weiß nicht, ob wieder für den biologischen Weinbau zugelassen, 50 ml/5 l)

Zu beachten: Netzschwefel hat eine Wartezeit von 56 Tagen für Weintrauben, da schon geringste Rückstände die Gärung beeinträchtigen. An sich ist elementarer Schwefel für den Menschen ungiftig, aber für Tafeltrauben wird eine Wartezeit von 4 Wochen empfohlen. Das hat keinen toxikologischen Grund, sondern einen optischen Grund, da der gespritzte Netzschwefel auf den Beeren unschön aussieht. In ca. 2 ... 4 Wochen ist der gespritzte Netzschwefel verdampft, je nach Temperatur.

Alle biologischen Spritzmittel sind nur relativ schwach und nur für sehr gute Pilzwiderstandsfähigkeit zu empfehlen. Zudem ist die Schutzdauer bis auf Phosfik nur ca. 1 Woche bzw. bis zum nächsten stärkeren Regen. Biowinzer für Weintrauben bauen z.T. auch Nicht-Piwi-Sorten mit biologischen Spritzmitteln an. Allerdings würde niemand solche Trauben kaufen, da doch relativ viele Beeren geschädigt. Aber diese Winzer versaften auch solche Trauben.

Ein Problem ist Milch/Molke. So richtig wirksam ist diese nur, wenn nicht pasteurisiert. Aber selbst Frischmilch aus der Kaufhalle ist pasteurisiert. Die Beschaffung von nicht pasteurisierter Molke oder Milch ist nicht einfach.

Bezugsquellen:

Natron: jede bessere Kaufhalle
Phosfik und Teldor/Fungor: Internet, selten in Gartenmärkten
Netzschwefel und Kupfermittel: Bau- und Gartenmärkte, Internet
Milch/Molke: Milchtankstellen (immer einen Spritzer Spülmittel zusetzen, sonst können Fetttröpfchen die Spritzdüse verstopfen.

Wenn Du wirklich so viele Reben anbauen willst, empfiehlt sich ein Lehrgang für Pflanzenschutzmittel mit dem Erwerb eines Sachkundenachweises. Dann kannst Du auch Profimittel kaufen. Aber auch Spritzmitel für den biologischen Weinbau bekommt man in größeren Mengen viel billiger, während Du ohne Sachkundenachweis nur überteuerte Apothekermengen kaufen kannst.

Zur Sterilisation von gepressten Saft: Wenn Du 80 °C sichern kannst, geht das. Die genaue Sterilisationstemperatur bei Traubensaft kenne ich nicht, aber diese liegt auch um die 80 °C.

Natürlich kannst Du auch aus den vorhandenen Reben Saft machen. Jeder Winzer macht das, nur dass er diesen danach vergärt. Allerdings hat Grauburgunder nur eine sehr geringe Pilzfestigkeit und zur Gesunderhaltung musst Du wöchentlich gegen Pero und Oidium und in der zweiten Saisonhälfte auch gegen Botrytis spritzen. Wenn Du das nicht willst, mußt Du eine Piwi-Weintraubensorte anbauen. Ich hatte Dir 2 Sorten vorgeschlagen. Achtung: Die meisten Piwi-Weinsorten haben nur eine mäßige Pilzfestigkeit, z.B. Regent, Johanniter.
Für die Safterzeugung empfehle ich nur eine, max. 2 Sorten, damit eine größere Menge zur gleichen Zeit reif wird. Wenn Du 3 Kinder versorgen mußt, sind auch viele Weinstöcke sinnvoll.

Falls Du Weingelee herstellen willst - als Fruchtaufstrich oder zur Würzung von Rotkraut - empfehle ich zusätzlich, eine Rebe blaue Ontario anzubauen - eine reicht. Diese Sorte ist sehr pilzfest und hat kaum Fruchtfleisch und lässt sich deshalb gut versaften, nur zum Frischverzehr schmeckte mir Ontario Blau nicht so gut. Man kann auch einen Teil des Gelees mit weihnachtlichen Glühweingewürzen machen - schmeckt sehr gut in der Adventszeit. Ontario blau gibt es in der Rebschule Schmidt.


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03.01.2022 15:01
#5
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Moin,

das Problem beim Grauburgunder wird die hohe Anfälligkeit gegenüber Pero, Oidium und Botrytis sein. Ich würde das volle Programm fahren wenn ich was ernten wollen würde, da er als traditionelle Weinsorte hochanfällig ist.

Wenn du was neues pflanzt, könntest du auf widerstandsfähigere Weinsorten umsteigen.
Ich bin mir aber nicht sicher, ob man Tafeltrauben wirklich so viel schlechter pressen kann als Weintrauben. Auch bei Weintrauben fährt man beim pressen ein Programm mit verschiedenen Drücken, Ablaufzeiten und Trester durchmischen usw. Also nicht wie beim Apfel Presse vollmachen und Druck drauf und unten läufts raus. Man muss auch mit dem Mulm arbeiten weil der schonmal vorfiltriert, da kann man sich richtig dranm verkünzteln.
Ich würde es also erstmal ausprobieren, wie gut sich Tafeltrauben pressen lassen. Mal ein paar Kilo im Laden kaufen und probieren, auch wie die Saftausbeute zum Beispiel entrappt oder mit Stielgerüst ist.

Danach entscheiden was wirklich her soll.
Weintrauben wachsen deutlich schwächer als Tafeltrauben, man rechnet hier eher 1m Breite pro Pflanze.
Wenn du Tafeltrauben ziehst und die Spaliere erhöhen möchtest, sollte auch der Reihenabstand angepasst werden. 2m ist auch so schon recht eng. Unten kommt deutlich weniger Sonne hin bei so engen Reihenabständen und wenn du auf 2,5m Höhe gehen willst würde ich jede 2te Reihe roden, also dann 4m Reihenabstand. Das aber auch nur wenn der Drahtrahmen noch in Ordnung ist und nicht marode und du Drähte umhängen kannst so das sie auch für Tafeltrauben passen.
Im Zweifelsfall lieber neu machen und das richtig. Ist besser als ständig flicken und rumärgern.

Spritzmittel: für ein paar hundert Quadratmeter Laubwand rentiert es sich nicht Fungizide im Gartencenter oder Baumarkt zu kaufen, da wird man arm. Ein Fläschchen reicht oft nur für 20-30 Liter Spritzbrühe und kostet zwischen 10 und 15 Euro. Du wärst bei einmal spritzen so schnell bei 2x15€ für Pero plus 2x15€ für Oidium sind 60€. 3-4 mal in der Saison mag für widerstandsfähige Sorten reichen, für Grauburgunder brauchts deutlich mehr. PIWI-Sorten also PSM-Kosten von rund 200-250€ pro Jahr. Sachkundenachweis machen würde sich schon nach wenigen Jahren amortisieren. Die Profimittel sind umgerechnet deutlich günstiger.


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03.01.2022 20:25
avatar  Dietmar
#6
Di

Zitat
Die Profimittel sind umgerechnet deutlich günstiger.



Ich nehme Profimittel z.B. vor dem Jahresurlaub, da diese statt einer Woche mindestens 2 Wochen schützen.

Auch Spritzmittel für Bio-Winzer, die in Apothekermengen zu Apothekenpreisen verkauft werden, gibt es in größeren Packungen, z.B. 1 kg oder 5 kg (z.B. Netzschwefel). Solche weitgehend ungefährlichen Spritzmittel gibt es in größeren Abpackungen und besseren Preisen nur gegen Sachkundenachweis. In Weinbaugebieten gibt es diese größeren Abpackungen z.B. bei der Baywa.


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04.01.2022 00:22 (zuletzt bearbeitet: 04.01.2022 00:48)
#7
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Man fährt hier zu Raiffeisen. Baywa ist auch nur regional.

2 Wochen schützen, da wäre ich vorsichtig. Manche Mittel sind richtig gut auf ihrem Gebiet, aber bei Tafeltrauben ist der Wuchs ein anderer als bei Weintrauben und damit der Verdünnungseffekt ausgeprägter. Ich lege jedenfalls keine Hand dafür ins Feuer, das zB. Profiler oder andere Mittel mit intrinsisch sehr guter Wirkung 2 Wochen Schutz bietet wenn es drauf ankommt. Die Spritzpläne hier im Forum deuten eigentlich schon darauf hin, frühe Spritzungen zum garnicht erst entstehen lassen und zur hochanfälligen Zeit um die Blüte bieten deutlich mehr Schutz als hinterher angedackelt kommen und die teuren und absoluten Spitzenprodukte taugen nur noch die Hälfte. Also Mittel/Wirkstoff allein ist noch lange nicht alles. Wann ist wichtig. Viel wichtiger als man denkt.

Zum Phosfik, da der Dachverband der `Bioschwurbler´ vor Jahren mit der These das Kaliumphosphonat in kosmischen Gesteinen/Meteoriten vorkommen könnte gergenüber den Zulassungsbehörden nicht belegen konnte das es ein natürlich vorkommender Stoff ist, wurde die natürlich vorkommende Existenz in Frage gestellt und somit Kaliumphosphonat als chemisch-synthetisches Pestizid eingestuft. Also nix mehr Bio, sondern Konventionell und mehr oder weniger im Augenblick dürfte auch die Übergangslösung auslaufen, das es noch in (Kali-)Blattdüngern eingebaut werden darf. Also Phosphonat ist als PSM zu akzeptieren da eine direkte Wirkung auf Schadpilze nachweisbar ist. Zudem systemische Wirkung, da wollen Bios eh nur sehr selten mitspielen, weil das dann alles vergiften würde im gengensatz zu Kontaktmitteln. Wieder so was geschwurbeltes...
Egal wie, Phosphonat fehlt im Bioanbau wie 2021 wieder gezeigt hat, 80% Ertragsausfall sollte ja kein Ziel sein, und für den Konvi-Anbau sind entsprechende PSM wie zB Delan-Pro zugelassen. Als `Blattdünger-plus´ hat es keine Zukunft.
Wichtig für den Vorblütebereich bleibt es trotz aller (mittlerweile erledigter) politischer Diskussionen.

Dietmar: schau mal ins pdf rein: Pero-Bekämpfung: längere Intervalle


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04.01.2022 08:15 (zuletzt bearbeitet: 04.01.2022 08:17)
avatar  urmel
#8
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Wenn Sie hier auf Links zu eBay klicken und einen Kauf tätigen, kann dies dazu führen, dass diese Website eine Provision erhält.

Zu den Sorten. Schau Dich hier bei den Sortenprofilen um. Was mögt Ihr? Fruchtig, mit Muskatgeschmack oder nicht?
Manchen ist der sogenannte Foxgeschmack ein Graus, andere nehmen ihn als besonders fruchtig und lecker wahr.
Keinesfalls würde ich gleich auf einmal die gesamte Fläche vollpflanzen.
Ganz wichtig sind auch die verschiedenen Reifezeiten. Geschickt ausgewählt kannst Du in Deiner Lage von Juli bis Oktober/November Trauben ernten.
Bei vielen (fast allen hier) wurde die Erstbepflanzung aus den verschiedensten Gründen ziemlich bald wieder ausgetauscht. Lies mal im "Fehlerfaden" nach.
Eine gute Quelle für Sorten die hier vorgestellt werden ist Jakob. Einfach anschreiben und nachfragen.
Hier gibt es ebenfalls einiges. Momentan ist nicht viel los, Winterpause.

Werbung: https://www.ebay.de/sch/artlina/m.html?i...=p2047675.l2562

Bezüglich der Kirschessigfliege gibt es nur Organzabeutel. Die helfen nebenbei auch noch gegen Wespenfraß und andere Insekten.
Ohne die Beutel wirst Du wegen dieser Plage mit Trauben nicht glücklich werden.

Kirschessigfliege (2)

Wenn man sie sorgfältig behandelt halten sie viele Jahre.

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07.01.2022 09:14 (zuletzt bearbeitet: 07.01.2022 09:16)
#9
Gl

Habt vielen Dank für Eure Ausführungen. Dann war meine Erwartung wohl etwas zu naiv und vom sonstigen Gärtnern bestimmt. Wie gesagt wurde bei mir bisher alles, was ich so angebaut habe, auch ohne jegliche Mittel abseits des Düngens etwas: Himbeeren, Erdbeeren, Salate, Tomaten,... Klar, dann ist die Schnecke bei der Erdbeere mal schneller als ich oder der Kohlweißling findet meinen Brokkoli, aber grundsätzlich ging es. Hier liest es sich so, als hätte man ohne jegliche Mittel letztendlich gar keine Chance mehr als eine Mitleidstraube zu ernten.
Zu den Mitteln: Ich brauche also etwas gegen echten und falschen Mehltau.
Angesprochen wurde Molke: das wäre hier gar kein Problem. Es gibt einige Höfe im Dorf, bei denen holen wir immer wieder Frischmilch direkt aus dem Milchtank, den dann zweitäglich der Molkereilaster leert. Da ist noch nichts pasteurisiert. Natron ist ja auch kein Problem.
Ich bräuchte nochmals genau das, was ich realistisch tun müsste bitte.
Gegen den Mehltau Molke aufspritzen klingt, als müsse ich das alle 1-2 Wochen machen, korrekt? In der Phase... Mai bis zur Ernte, oder über welchen Zeitraum? Mit dem Schwefel hätte ich hingegen mit einmaligen Spritzen Ruhe?
Ist das Vorgehen gegen Pero ebenfalls ein Muss?
Baywa und Raiffeisen gibt es beides in Fahrnähe. So einen Kurs kann ich natürlich auch machen. Wenn ich das richtig sehe, ist der vom Zeit- und Kostenaufwand überschaubar.

Ich merke schon: Trauben scheinen mehr Aufwand zu sein als oben genannte Früchte... Bei den Tomaten hat man auch den Aufwand mit dem Ausgeizen, dann überall Giesen, was die Trauben nicht zu brauchen scheinen, aber das wars dann.

Sterilisieren: ja ich könnte die 80° relativ treffgenau sicherstellen. Für den Apfelsaft habe ich ein 100l Edelstahlfass und einen Tachsieder gekauft, mit dem wir diesen Saft haltbar machen und dann in bag-in-box abfüllen. Verschiedene Pressgänge werde ich für meine paar Liter nicht anfangen. Entweder das funktioniert so wie beim Apfelsaft mit Quetschen, Pressen, Erhitzen, Abfüllen, oder eben nicht ;)

Zum Reihenabstand: auch ein 4m Abstand wäre kein Problem. Ich habe auf dem Stück mehr Platz als ich bräuchte. Ich muss sowieso schauen, ob beim Rausreißen überhaupt etwas stehen bleibt, oder ich alle Stangen neu reinhauen muss.

Zur Menge: super Hinweise. Ich habe überhaupt kein Thema mit nur ~10-15 Tafeltrauben zu beginnen (5 Sorten mit je 2-3 Reben zB) und dann doch 1-2 Weinrebsorten zum Saften.
Ich mag übrigens süß fruchtige Trauben. Wenn mir jemand aus meinen Breitengraden eine Auswahl empfehlen kann, sehr gerne.


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07.01.2022 13:56 (zuletzt bearbeitet: 07.01.2022 13:59)
avatar  Dietmar
#10
Di

Zur Schutzwirkung:

- Netzschwefel verdampft und wird kalt oxydiert. Die Schwefeloxide schützen dann vor Oidium. Die Schutzdauer hängt von der Temperatur ab, da auch die Verdampfungsquote von der Temperatur abhängt. Ein weiteres Problem bei Kontaktfungiziden ist, daß nur gespritzte Blattflächen geschützt sind, nicht die Rückseiten der Blätter. Man muß also bei allen Kontaktfungiziden das Blattwerk von allen Seiten regelrecht einschwämmen. Eine längere Schutzdauer durch eine höhere Konzentration des Netzschwefels in der Spritzbrühe - das ist eine Fehldenke.
Gründe:
1. Die Spritzbrühe mit Netzschwefel ist an sich schon dickflüssig. Mit mehr Netzschwefel wird die Spritzbrühe noch dickflüssiger.
2. Kontaktfungizide schützen nur gespritzte Blattflächen und das bedeutet auch, daß neu ausgetriebene Blätter nicht geschützt sind. Je länger die Spritzpause, desto mehr ungeschützte neue Triebe gibt es.
Wie lange schützt Netzschwefel: ca. 1 Woche, im Hochsommer 3 Tage. Nur einmal in der Saison spritzen - das wird ein Fiasko

- Natron:
Die Schutzdauer geht bis max. bis zum nächsten stärkeren Regen, da Natron sehr gut wasserlöslich ist. Pi mal Daumen schützt Natron auch ca. 1 Woche. Eine Überkonzentration kann zu Spritzschäden führen. Natron sollte im Hochsommer (T>30 °C) bevorzugt werden, da keine Verkürzung der Wirkungsdauer durch größere Verdampfungsgeschwindigkeit oder UV-Strahlung.

- Milch/Molke: Die Schutzdauer ist abhängig von der UV-Strahlung und vom nächsten stärkeren Regen. Pi mal Dauen kann man auch von einer Schutzdauer von 1 Woche ausgehen.

Der Schutz gegen Pero ist ein "Muß", da Pero oft noch gefährlicher als Oidium ist, vor allem bei hoher Luftfeuchtigkeit. Pero ist ein Feuchtepilz, d.h. bei wochenlanger Trockenheit ohne Tau in den Morgenstunden tritt Pero nicht auf. Aber schon der erste Regen kann zu einer Explosion des Infektionsgeschehens führen. Kontaktmittel gegen Pero müssen wie alle Kontaktmittel vorbeugend gespritzt werden. Eine bestehende Infektion kann nicht mehr wirksam eingedämmt werden.

Parallel zum Spritzen gegen Pero sollte auf einen luftigen Stockaufbau geachtet werden, damit nach einem Regen oder Morgentau das Blattwerk schneller wieder abtrocknet.

Beim Spritzen von Reben gilt das Präventionsparadoxum:
Wenn kein Pilzbefall auftritt, könnte man glauben, daß das Spritzen umsonst war und man weniger Spritzen muß. Das Gegenteil ist der Fall.

Da Dein Weinberg inmitten eines Weinbaugebietes liegt, ist der Infektionsdruck viel höher, als z.B. beim Erzgebirgler, bei dem der nächste Weinberg mehr als 100 km entfernt ist.

Ein Reihenabstand von 4 m ist an Deinem Standort übertrieben. Der optimale Reihenabstand ist in etwa so groß wie das Spalier hoch ist.


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