Biologisch-dynamischer Anbau von Tafeltrauben

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22.09.2019 01:17 (zuletzt bearbeitet: 22.09.2019 01:21)
#181
Oh

Theorie und Praxis müssen zusammenpassen und moglichst einfach sein. Wo sollen wir praktisch die Hörner und Därme nehmen? Und wenn wir auch die besorgen, es wird eine stinkige Angelegenheit. Wie am Schlachthof. Da freuen sich unsere Nachbarn. Die Umweltschützer verklagen uns wegen Grundwasserverschmutzung.


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22.09.2019 07:34
avatar  Dietmar
#182
Di

Reblaus hat Recht. Das klingt schon ziemlich schräg und ist es meiner Meinung nach auch.

Einige Wirkungen kann man seriös erklären, z.B. das Eingraben von mit Mist eingegrabenen Kuhhörnern. Auch ohne Kuhhörner wirkt Mist als Dünger und da noch viel besser, da die Kuhhörner die Weitergabe der Nährstoffe aus dem Mist behindern, höchstens noch Dosieren. Kuhhörner sind verwitterungstechnisch so stabil, dass kaum eine Abgabe von Kalk an den Boden erfolgt.

Manche "Rezepte" lassen sich wissenschaftlich erklären, vor allem, wenn man die Verpackung mit Kuhhörnern und Därmen wegläßt. In meinen Augen ist da sehr viel Esoterik dabei. Esoterik ist für viele Menschen eine Ersatzreligion, da der christliche Glaube immer mehr an Bindekraft verliert.


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22.09.2019 19:36 (zuletzt bearbeitet: 22.09.2019 19:49)
#183
Au

Hallo Tafeltrauben Freunde, ich bin in sw Frankreich zwischen Aude und Ariege mit einer Landwirtschaft aktiv und beginne Umbau auf bio. Das Klima ist hier natürlich eine Spur wärmer, aber ich hoffe, ich darf hier auch Fragen stellen und event. Infos aus anderen Gegenden, die ich bei meiner Recherche für einen kleinen Tafeltrauben Anbau gefunden haben mitteilen.
Freundliche Grüsse,
Michael


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23.09.2019 21:05
avatar  Reblaus
#184
Re

Zitat von Ohne Chemie im Beitrag #181
Theorie und Praxis müssen zusammenpassen und moglichst einfach sein. Wo sollen wir praktisch die Hörner und Därme nehmen? Und wenn wir auch die besorgen, es wird eine stinkige Angelegenheit. Wie am Schlachthof. Da freuen sich unsere Nachbarn. Die Umweltschützer verklagen uns wegen Grundwasserverschmutzung.


Ich mache die Präparate auch nicht selber, sondern kaufe sie mir zu. Die Anbieter findet man im Internet. Für einen Hobbygärtner ist der Aufwand der Herstellung i.d.R. zu hoch. Zudem stellt man aufgrund der Größe der Hüllen automatisch eine große Menge Präparate her. Benötigt werden im biodynamischen Landbau jedoch nur sehr kleine Mengen, da es ja um die Weitergabe von biodynamischen Informationen geht. Homöopathie für Pflanzen sozusagen.

Zitat von AudeAriege im Beitrag #183
... ich hoffe, ich darf hier auch Fragen stellen und event. Infos aus anderen Gegenden, die ich bei meiner Recherche für einen kleinen Tafeltrauben Anbau gefunden haben mitteilen.


Natürlich bist Du hier willkommen zum fachlichen Austausch. Insbesondere dann, wenn Du die Bio-Fraktion hier in diesem Forum verstärkst und Deine Erfahrungen und Beobachtungen mit uns teilst. Es gibt zwar immer wieder Gegenwind durch die ewig Gestrigen, aber das kennen wir Bios ja zur Genüge und wir sind wie unsere PIWIs ja mittlerweile resistent dagegen.

Es sollte Dir eine Überlegung wert sein, ob Du nicht direkt auf biodynamisch umsteigst. Der zusätzliche Aufwand ist marginal. Meines Wissens ist die biodynamische Bewegung in Frankreich nicht so stark vertreten. Da es bei Dir heißer und ggf. trockener ist als bei uns, unterstützt der biodynamische Anbau u.a. die Trockenresistenz der Pflanzen und verstärkt deren Wurzelwachstum. Das Bodenleben verändert sich positiv und die Speicherfähigkeit des Bodens für Feuchtigkeit wird höher.

Stelle einfach einen Acker auf biodynamisch um und den Acker daneben nur auf Bio. Nach 1-2 Jahren vergleichst Du objektiv das Bodenleben, die Bodenkonsistenz, die Wurzeln gleicher Pflanzen, die Pflanzengesundheit usw.. Wenn Du keinen signifikanten Unterschied bemerkst, stellst Du den biodynamischen Versuch einfach wieder ein und hast außer ein paar Euro für die Präparate und ein wenig Zeitaufwand nichts verloren. Ich kenne eine Deutsche ca. 250 km südlich von Paris, die aktuelle grade eine größere Landwirtschaft von konventionell auf biodynamisch umstellt.


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23.09.2019 21:50 (zuletzt bearbeitet: 23.09.2019 22:16)
#185
Au

Danke, von biologisch-dynamisch habe ich auch keine Ahnung, was die Kuhhörner betrifft gehöre ich leider zu den Ignoranten ;) da ich eher wissenschaftlich orientiert bin, nach der fantastischen (eines der wenigen absoluten Top Bücher für mich) Lektüre von Tompkins / Bird, "Das Geheime Leben der Pflanzen" https://www.amazon.de/Das-geheime-Leben-...n/dp/3596219779 habe ich aber auch Bücher zur Elektrokultur gefunden die auch eine Anwendung im Weinbau in Frankreich vor der chemischen Revolution gefunden haben und die ich jedenfalls ausprobieren werde. Google nach "christofleau electroculture" zeigt auch Bilder, leider kenne ich nur englische und französische Texte dazu.


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24.09.2019 23:24
#186
Au

Für den ökologischen Anbau kann auch Huminsäure einen wichtigen Beitrag leisten, einen kurzen Einblick dazu kann man hier finden https://www.humintech.com/de/agrarwirtsc.../weinanbau.html man kann es auch in flüssiger Form mit Pflanzenschutzmitteln (auch bio) oder Blattdünger mischen (vorher testen ca 5 -10% der Wirkstoffmenge ). Scheint ein echtes Wundermaterial zu sein.


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25.09.2019 21:15
#187
Oh

Humus ist gut, aber wirkt auf die Wurzeln der Rebe nicht wirklich. Die Bernsteinsäure vordert Wurzelwachstum, stärkt die Pflanze.


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06.10.2019 02:10
avatar  Reblaus
#188
Re

Nach der langen Trockenheit habe ich die regnerischen Tage genutzt, um dynamisierten Hornmist und zur weiteren Unterstützung der Bodenaktivät dynamisierten Rottelenker auszubringen. Der Regen sorgt dafür, dass die dynamisierten Präparate sicher in den Boden gelangen. Der Rottelenker unterstützt die Verrottungsprozesse im Boden und im Komposthaufen.

Aufgrund der Hitzeperiode im Sommer ist bei meiner Gründüngung fast nur Ölrettich aufgegangen (s. Foto). Da gab es für Nachbars Bienen leider nicht viel zu naschen. Dennoch sieht es bei mir weitaus besser aus als in den konventionell bewirtschafteten Weinbergen um mich herum: mehr oder weniger tote Rebgassen ohne jegliches Leben. Insekten haben hier kaum eine Chance, keinen Lebensraum, kein Vogel weit und breit, kein Fasan, kein Hase. Jeder Quadratzentimeter wird der maschinellen Bewirtschaftung und dem Kommerz gewidmet. Immer noch wird das Unkraut unter den Reben totgespritzt und zwischen den Rebzeilen wächst nur befahrbares Gras. Aktuell werden in Deutschland von gerade einmal 4,5 % der Winzer nur rund 7 % der Rebfläche ökologisch bewirtschaftet. Unvorstellbar, welche Giftmengen in den Weinbergen gespritzt werden, um die Reben “gesund” zu halten.

Der Ölrettich wurzelt immerhin bis zu 1,5 Meter in die Tiefe, lockert den Boden, bindet nicht benötigte Nährstoffe, schützt den Boden vor Auswaschung und sorgt mit seinem weit verzweigten Wurzelwerk dafür, dass der Boden die aktuellen Niederschläge speichern kann. Die übrigen Samen sind durch die Trockenheit leider fast vollständig untergegangen. Der Biodynamiker ist halt direkt von der Natur und deren Unberechenbarkeit abhängig und muss sich der jeweiligen Entwicklung anpassen. Deshalb werde ich im kommenden Frühjahr wieder Kompost (mein Kompost ist durch einige Zusätze eher eine Art Terra Preta) und zusätzlich aktivierte Pflanzenkohle ausbringen, damit die danach ausgesäte Gründüngung bessere Bedingungen vorfindet.

An einem schönen sonnigen Oktobertag werde ich ein letztes Mal dynamisierten Hornkiesel für die Holzreife ausbringen. Damit wären dann die biodynamischen Aktivitäten für dieses Jahr beendet. Bis Ende Oktober werden noch die letzten Rebsorten geerntet. Aktuell reifen nach und nach “Georg”, “Ossenij Czerny”, “Valentine”, “Angela”, “Moldawa” und “Pölöskai Muskotaly”. Dann kehrt bis zum Winterschnitt erst einmal Ruhe ein.

Insgesamt bin ich nach der Hitzeperiode und dem Mehltau-Desaster im Juli, das mich ca. 25% der Ernte gekostet und die betroffenen Reben in ihrer Entwicklung ganz sicher geschwächt hat, ganz zufrieden. Seit Ende Juli essen und verschenken wir täglich kiloweise leckere Tafeltrauben in Bioqualität. Ich habe wieder einiges dazu gelernt und versuche die gewonnenen Erkenntnisse im kommenden Jahr positiv umzusetzen. Kein Jahr ist wie das andere. Das macht das Bio-Gärtnern so spannend.
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10.10.2019 12:25 (zuletzt bearbeitet: 10.10.2019 12:34)
#189
Oh

Die Gründung ist wegen ständigem Regen sehr stark gewachsen. Deswegen habe mit der Sense gekürzt. Wenn es kälter und wird, werde ich den Knobi direkt in die Gründung pflanzen. Die Reben bereiten sich langsam zum Winterschlaf. Die Trauben, die die noch hängen, werden geerntet.
Das Grünteil an Zweigen wird abgeschnitten, Blätter entfernt und so werden die bis zum Schnitt im März warten. Damit werde ich die Zeit für den Aufbau von Spalier und Pergola nutzen.


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10.10.2019 20:51
avatar  Reblaus
#190
Re

Ich habe mal ein paar Erkenntnisse zum biodynamischen Anbau zusammengetragen. Wie die Biodynamie wirkt, ist wissenschaftlich noch nicht erforscht. Es ist aus wissenschaftlicher Sicht grundsätzlich schwierig, biodynamische Wirkungsweisen darzustellen, da die Präparate kontextabhängig wirken. D.h. sie wirken je nach Umgebung anders und die Versuchsreihen sind in der freien Natur nicht exakt reproduzierbar. Es gibt leider auch kaum Forschungsfelder, da es bei der Biodynamie im Vergleich zur Spritzmittelindustrie kein Geld zu verdienen gibt. Insofern gibt es auch zu wenige Studien in Laborumgebung. Die bisherigen Ergebnisse beruhen im Wesentlichen auf Beobachtungen der Wirkung, nicht jedoch auf dem “wie”. Dass Biodynamie wirkt, ist aufgrund einer Vielzahl von Langzeitversuchen, Forschung, Studien und wissenschaftlichen Untersuchungen mittlerweile belegt. Selbst hartnäckige Leugner und Verweigerer sind gehalten, sich zumindest der Diskussion zu stellen.

Biodynamie ist kein Wunderverfahren, das direkt ins Auge fallenden Ergebnisse liefert. Sie wirkt derart auf die Planzen, dass diese in ihrem Umfeld vernünftig und optimal gedeihen. In einem Umfeld,

- in dem schlechte Verhältnisse herrschen, verhilft die Biodynamie zu besseren Erträgen.
- wo bereits gute Verhältnisse herrschen, ist mit kaum Ertragszuwachs zu rechnen und
- wo Hochleistungsverhältnise und hohe Erträge herrschen, z.B. durch erhöhten Düngemitteleinsatz, kommt es sogar zu einem Ertragsrückgang, weil die Biodynamie hier regulierend für “vernünftige” Verhältnisse sorgt und die erhöhte Düngeraufnahme der Pflanze reduziert.

Biodynamie reguliert die Pflanzen und die Pflanzenumgebung (insbesondere den Boden und die Pflanzenkonstitution). Dass der biodynamisch behandelte Boden feinkrumiger wird, ein stärkeres Wurzelwachstum bewirkt, mehr Regenwürmer anlockt, eine differenziertere Bodenfauna besitzt, Wasser besser speichert, Verrottungsprozesse verbessert und vor allem auch über die Jahre den Humusgehalt erhöht, wurde bereits beschrieben und ist auch belegt.

Für uns Tafeltrauben-Freaks sind folgende Erkenntnisse aus dem biodynamischen Weinbau übertragbar und wichtig:

Die Rebe scheint auf die Biodynamie besonders gut anzusprechen. In mehrjährigen Studien wurde folgendes beobachtet. Biodynamie sorgt u.a.:

- für ein geregelteres Wachstum der Rebe, d.h. kürzere Internodien und kürzere Triebe
- für eine Reduzierung des Schnittholzes, da die Rebe viel weniger Geiztriebe produziert. Dies macht sich positiv bemerkbar in Bezug auf die Pilzanfälligkeit der Rebe durch weniger Geiztriebe-Blattmasse
- für kleinere Beeren
- für weniger Beeren und damit für eine erhöhte Lockerbeerigkeit. Dies macht sich ebenfalls positiv bemerkbar auf die Pilzanfälligkeit, vor allem Botrytis
- für eine bessere und i.d.R. frühere Abreifung der Beeren (bringt ca. 7 Tage früheren Ertrag)
- für einen besseren Geschmack der Beeren
- für eine bessere Verholzung der Triebe vor dem Winter (verbesserter Frostschutz)
- für härteres Rebholz (das Schneiden wird dadurch leider kraftaufwändiger)
- die Kombination der Ausbringung von Kompost, der mit tierischen Dung und mit biodynamischen Präparaten präpariert wurde, mit der parallelen Ausbringung von Kalimagnesia zeigte signifikante Ertragserhöhungen, verbesserte Stickstoffaufnahme und wiederstandsfähigere Pflanzen (das funktioniert denke ich auch mit nicht biodynamisch präparierten Kompost, also ausprobieren!)
- Düngung mit Gesteinsmehl brachte keine Ertragssteigerungen, sondern nur Mehrkosten (ich verwende grundsätzlich Gesteinsmehl beim Aufsetzen des Kompostes und sehe den Nutzen nicht in der Ertragssteigerung, sondern in der Bodenverbesserung).

Vieles oben genannte gilt natürlich auch für biodynamisch angebautes Obst und Gemüse gleichermaßen. So sorgt die Biodynamie zusätzlich für eine verbesserte Lagerfähigkeit von Obst und Gemüse, die ja bei Weintrauben keine Rolle spielt. Bei Tafeltrauben hingegen schon.

Manche Ergebnisse erscheinen im Kontext zu den Tafeltrauben und den in diesem Forum oft propagierten Zielen auf den ersten Blick negativ (weniger und kleinere Beeren, geringere Blattmasse etc.). Wer seine Trauben vermarktet, erzeugt dann weniger Traubengewicht pro ha, wenn seine Produktionsverhältnisse durch starke Düngung bereits überproportional sind (s.o.). Auf den zweiten Blick überwiegen jedoch über die Jahre die Vorteile. Weg von der Hochleistungsproduktion hin zu einem natürlichen und naturnahen Anbau mit gesundem Boden, gesunden Pflanzen und unbedenklich genießbaren Trauben in Bioqualität.

Ich freue mich jetzt schon auf die Auseinandersetzung mit meiner Mehltau-Problemzone im oberen Teil des Gartens. Leider habe ich nur einen Versuch pro Jahr und jedes Jahr ist anders.


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