Aufeinanderfolge von nicht kombatiblen Fungiziden

19.07.2021 20:00
avatar  Dietmar
#1
Di

Ich hatte kürzlich mit ForumStar gegen Pero gespritzt. Da nach meiner Kenntnis ForumStar nicht mit Switch gemischt werden soll, d.h. nicht gemeinsam ausgebracht werden können, muß ich Switch gegen Botrytis extra spritzen.

Beide Fungizide sind systemisch, d.h. nach dem Spritzen mit Switch "begegnen" sich ForumStar und Switch innerhalb der Rebe. Wenn ForumStar und Switch in der Spritzbrühe miteinander reagieren und deshalb nicht zusammen ausgebracht werden sollen - ist dann eine ähnliche negative Reaktion der beiden Fungizide innerhalb der Rebe zu erwarten?

Wie lange sollte man warten, bis man nach ForumStar mit Switch spritzt?


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20.07.2021 17:42 (zuletzt bearbeitet: 20.07.2021 17:47)
avatar  Nexus95
#2
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Am besten bei Firma anfragen und mit Agra Techniker sprechen. Die müssen das am besten wissen.


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20.07.2021 20:18
avatar  Dietmar
#3
Di

Ich habe per email beim Hersteller angefragt. Mal sehen, ob und welche Antwort ich erhalte.


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21.07.2021 03:10 (zuletzt bearbeitet: 21.07.2021 03:14)
#4
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Forum Star besteht aus Folpet (Kontaktmittel) und Dimetomorph (Tiefenwirksam, translaminar).

Switch aus Cyprodinil (systemisch) und Fludioxanil (Kontaktmittel).

Mit den Fungiziden in der Rebe ist es so:

die Kontaktmittel bleiben außen, dringen nicht in die Rebe ein. Eigentlich nicht mal in die Wachsschicht der Blätter.

Tiefenwirksame Mittel wie Dimetomorph durchdringen die Wachsschicht und auch die vielen Barrieren innerhalb eines Blattes und kommen so auch auf die Blattunterseite um dort ihre Wirkung zu entfalten. Die verteilen sich praktisch lokal im Blatt, Stängel usw. werden aber von dort nicht wegtransportiert.

Das passiert mit den systemischen Mitteln, die wandern zu den Zonen, wo am meisten Verdunstung (Saftstrom) oder Wachstum stattfindet. Das heißt 2-3 Tage nachdem die auf ein altes Blatt gespritzt wurden, können die dort evtl gar nicht mehr wirken, weil sie nicht mehr da sind, sondern zB in die Geiztriebe gewandert sind.


In der Rebe selbst kommt sich eigentlich nichts in die Quere. Zum einen sind sie sehr verdünnt (zu dünn für eine chemische Reaktion) , zum anderen sind die Wirkstoffe so gebaut, dass sie sehr gut an spezielle Enzyme binden. Bis sie das tun, sind sie im Phloem oder Xylem, den Membranen oder Wachsschichten oder was auch immer, aber sie reagieren nicht mit anderen Fungiziden und klumpen auch nicht zusammen. Die warten im Prinzip in oder auf der Pflanze an der Stelle, für die sie gemacht wurden, also Kontaktmittel auf dem Blatt, Tiefenwirksame translaminare oder teilsystemische Wirkstoffe im Blatt und systemische Wirkstoffe im Phloem/Xylem. Wenn ein Pilz kommt, der das Enzym hat, auf das die Wirkstoffe die hohe Affinität haben, werden sie praktisch aus der Suppe rausgefischt und lagern sich im Pilz in dessen Enzym ein. Diese Bindung ist so stark, dass das Enzym seine Aufgabe nicht mehr erfüllen kann, also das eigentliche Substrat, was das Enzym normal verstoffwechseln würde, nicht mehr binden kann. Nun gibts noch verschiedene Bindungsformen, wie man Enzyme hemmen kann, das muss nicht immer die active site sein, das können auch allosterische Taschen sein an die die Wirkstoffe binden, aber unterm Strich schwimmt der Wirkstoff zum Pilzenzym so gezielt wie die Frau zum neunen paar Schuhe. Gibt es genug Schuhläden, also Pilzdruck, oder sind die Schuhläden weit voneinader weg, so das man sich auf dem langen Weg dorthin verlieren kann (Schuhladen auf dem Land, viel Wachstum der Rebe) bleibt irgendwann nicht mehr genug Wirkstoff übrig, um die notwedige Konzentration für eine ausreichend Pilzhemmung zu erreichen.

So verlieren systemische Mittel bei stürmischem Wachstum schon nach wenigen Tagen (Stunden) die Wirksamkeit auf den alten Blättern, während tiefenwirksame Mittel nicht so schnell zum Schuhladen rennen und so eher das alte Laub schützen. Die Kontaktmittel bleiben da wo man sie hinspritzt und manche Fungizide bilden Depots auf der Wachsschicht, die sich bei tau oder blattnässe remobilisieren können, also auch bei nicht ganz so guter Anlagerung die meisten Bereiche abdecken.

Daneben gibt es auch noch Fungizide die (auch) mit einer Dampfphase wirken. Schwefel oder Proquinazid etwa. Temperaturabhängig.

Soweit mal mein Senf, die Antwort vom Hersteller wird vermutlich nur 0815 Standardantwort und kaufen sie unsere Produkte sein. Die haben doch garkein Personal mehr für gute Beratung.


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21.07.2021 12:22 (zuletzt bearbeitet: 21.07.2021 12:24)
#5
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Das man sich das etwas besser vorstellen kann, wie es in der Pflanze aussieht, hier mal ein Video für Xemium, Fluxapyroxad. Ein Oidium Mittel mit Nebenwirkung gegen Botrytis.
https://www.youtube.com/watch?v=fQCotMfO3gk

Das liest sich später dann so:
[quote=https://www.agrar.basf.de/de/Produkte/Produktdetails/Fungizid/Sercadis.html]Sercadis® basiert auf dem Wirkstoff Fluxapyroxad, aus der neuesten Generation der Wirkstoffklassen der Carboxamide (SDHI). Fluxapyroxad verhindert die Sporenkeimung und zeigt eine hemmende Wirkung auf die Keimschlauchausbildung, das Myzelwachstum und die Sporulation der pilzlichen Schaderreger.

Das Fungizid wirkt bei vorbeugendem Einsatz besonders sicher und langanhaltend gegen Echte Mehltaupilze und bekämpft außerdem zuverlässig Schorf an Kernobst sowie Schwarzfäule an Reben.

Die physiko-chemischen Eigenschaften des Wirkstoffes ermöglichen ein schnelles Erreichen des Wirkortes im Schadpilz und eine effiziente Wirkung mit geringen Wirkstoffmengen. Beim Antrocknen des Spritzbelages bilden sich Depotkristalle, die sicher in der Wachsschicht verankert sind und für eine hohe Witterungsbeständigkeit sorgen. Wiederholtes Herauslösen des Wirkstoffes durch Tau und Niederschläge gewährleistet eine permanente Nachlieferung ins Gewebe und Weiterverteilung auf der Pflanzenoberfläche, was einen langanhaltenden Schutz gewährleistet. In der Pflanze wird der Wirkstoff systemisch akropetal verteit.[/quote]


Man muss wissen, Wirkstoffe werden immer nur aufgenommen, wenn sie gelöst sind. Zu schnell antrockenende Spritzbeläge sind für Mittel die aufgenommen werden wollen also kontraproduktiv. Auch deshalb werden Fungizide oft recht grobtropfig gespritzt. Die großen Tropfen brauchen einfach länger bis sie antrocknen, so hat der Wirkstoff mehr Zeit, um in die Pflanze einzudringen. Im Idealfall spritzt man Abends, wenn die Luftfeuchtigkeit hoch ist.



Unterm Strich kann man also sagen, dass nicht alle Tankmischungen spritzbar sind, es also welche gibt die ausflocken und die Düsen verstopfen.
Auf oder in der Pflanze spielt es keine wirkliche Rolle was man vorher gespritzt hat. Ausnahme sind eher Salze wie basisches Kaliumhydrogencarbonat und später was saures wie zB Bittersalz. Da kann dann tatsächlich mal was reagieren und die basische Wirkungsunterstützung, welche das Austrocknen der Mehltaukörper unterstützt, abgeschwächt werden. Das hängt zum einen mit den hohen Wirkstoffmengen zusammen, zum anderen sind Umsalzungsreaktionen relativ schnell ablaufende Reaktionen in der Chemie. Das kann also bei normaler Temperatur und kurzer Blattnässe passieren. Mit organischen Wirkstoffen passiert in der Regel nichts, die sind sehr Reaktionsträge, wenn dann explodieren sie mal ein bisschen oder binden diverse Ionen wie zB Calcium, Eisen. Deshalb auch möglichst weiches Wasser zum spritzen nehmen und evtl sogar den pH-Wert leicht sauer einstellen, bei manchen Insektiziden Pflicht, weil manche Estergruppen im basischen schnell verseifen, also Wirkstoff geht kaputt. Pyrethroide , bei pH 9 Halbwertszeit 2 Stunden.

Auch hier nochmal ein Artikel aus der Top Agrar, `Damit´s auch wirklich wirkt´: https://www.topagrar.com/dl/2/8/3/2/4/8/...0_115_01_15.pdf


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