Ich begrüße Dich in unserem Tafeltraubenforum.
Wie Du schon festgestellt hast, sind die Meßwerte der lokalen Wetterstation bei Dir mit Vorsicht zu genießen. Der offizielle durchschnittliche SAT-Wert (Mittel über 30 Jahre) des Deutschen Wetterdienstes für Münster beträgt 2637, d.h. mal sind es etwas mehr, mal etwas weniger. Wegen der Klimaerwärmung kann mittlerweile der Durchschnitt ca. 50 ... 100 größer sein, aber Werte von über 2900 oder gar 3400 sind mit größter Wahrscheinlichkeit Fehlmessungen oder ein sehr spezielles Mikroklima. Ich empfehle daher, Dich an den ca. 2600 zu orientieren. Der Standort sollte mindestens halbtags (Nachmittags) in der Sonne sein.
Es gibt einige Datenbanken, aber ich kenne keine, bei der man nach dem SAT-Wert filtern kann.
Kernlose Sorten haben leider sehr oft eine ungünstige Eigenschaftskombination:
- kleine Trauben und Beeren, bei den meisten Sorten Trauben kleiner 300 g und Beeren kleiner 2 ... 3 g, aber einige wenige osteuropäische Sorten haben deutlich bessere Werte. Allerdings sollte man beachten, daß die Beerengröße von kernlosen Sorten aus der Kaufhalle in der Regel mit Pflanzenhormonen gepuscht wurde.
- schlechte Frostfestigkeit - bei Dir kaum ein Problem
- nur sehr wenige sehr zeitige kernlose Sorten. Bei Deinem Standort würde ich eine maximale Reifezeit von 120 Tagen akzeptieren. Da gibt es schon deutlich mehr Sorten als für mich.
- Ein Hauptnachteil kernloser Sorten ist die nicht allzu gute Pilzfestigkeit und die pilzfesteren Sorten schmecken nicht oder haben andere Nachteile. Ein gewisser Spritzplan ist unerläßlich, außer vielleicht bei Venus, aber die hat winzige Trauben und Beeren und etwas Foxton. Trotzdem gibt es deutliche Unterschiede.
Außer den Pilzkrankheiten gibt es weitere relevante Schädlinge:
- Kirschessigfliege, vor allem bei roten und blauen Sorten. Ohne Schutz oft Totalverlust.
- Wespen - knabbern Beeren an. Ab den Knabberstellen breiten sich Pilzkrankheiten aus.
- Traubenwickler, vor allem bei roten und blauen Sorten. Wenn diese auftreten, oft Totalverlust der Ernte.
- Vögel, vor allem kernlose Sorten, da diese schnabelgerechte Beerengrößen haben.
- Mäuse: fressen im Winter die Wurzeln der Reben auf, vor allem bei Jungreben. Man denkt dann, die Rebe wäre erfroren, aber in Wirklichkeit waren es oft Mäuse.
- fremde Menschen, wenn Grundstück nicht eingezäunt
Gegen die Kirschessigfliege, Wespen, Traubenwickler und Vögel gibt es eine Trick: Überziehen der Trauben mit Organzabeuteln, wenn Beeren erbsengroß. Sinnvolle Größe: 30x40 cm. Achtung: Die Preise von Organzabeutel sind sehr unterschiedlich.
Bei mir ist der SAT-Wert deutlich kleiner, so daß ich als kernlose Sorte bisher nur Zimus habe. Wenn Du mal hier im Forum unter "K" liest, dann gibt es einige Kischmisch-Sorten mit Sortenbeschreibungen, Vor- und Nachteilen. Kischmisch bedeutet kernlos. Kernlos bedeutet aber nicht absolut kernlos. Größere Beeren können oft einen weichen Kern enthalten, der aber nicht stört.
Den ersten Rang bei Dir hat die Verfügbarkeit und der größte Fehler besteht darin, Reben zu kaufen, weil es sie gerade zu kaufen gibt. Mit den Sorten in den dt. Rebschulen wirst Du vermutlich nicht so richtig glücklich werden, mit denen aus den Gartenmärkten oder Versandgärtnereien gleich gar nicht. Da man 3 ... 4 Jahre braucht, ehe man eine Rebsorte etwas beurteilen kann, verlierst Du 4 Jahre, wenn Du vorschnell eine Sorte kaufst, weil es sie gerade zu kaufen gibt, die dann doch gerodet wird. Deshalb lieber etwas länger suchen und dafür weniger Risiko haben, daß die gekaufte Sorte doch nicht das Wahre ist.
Eine Sorte in einer Datenbank zu suchen, bringt meist nicht viel. Dort sind Hunderte oder Tausende Sorten enthalten, aber die sind fast nicht beschaffbar, es sei denn, Du kaufst direkt in der Ukraine. Mit der Ukraine gibt es ein Freihandelsabkommen, aber ein Kauf aus Russland wäre illegal. Wegen der langen Postlaufzeiten kann man aber von dort keine lebenden (getopften) Reben kaufen. Meist kann man nur Steckhölzer kaufen und muß selbst veredeln. Ich kenne zwar die Technologie des Veredelns (Pfropfen) relativ genau, habe aber keinen grünen Daumen dafür, d.h. das Pfropfen von Reben ist schon etwas schwieriger als von z.B. Obstbäumen, mal vorsichtig formuliert. Auch ist es schwierig, an geringe Mengen Unterlagen zu kommen. Meist gibt es Mindestabnahmemengen von 1000 Stück. Ich empfehle Dir deshalb, als Anfänger nicht selbst zu pfropfen. Nun ist ja Münster weit entfernt von einem Weinbaugebiet, so daß ungepfropfte Reben zwar nicht direkt erlaubt sind, aber bisher geduldet werden. Wenn man in einem Weinbaugebiet ungepfropfte Reben setzt und erwischt wird, kann das einige Zehntausend Euro kosten. Auch wenn ungepfropfte Reben bei Dir rechtlich geduldet werden, würde ich an Deiner Stelle trotzdem nur gepfropfte Reben anbauen, da bei gepfropften Reben Trauben- und Beerengröße ca. 30 ... 50 % größer sind.
Es gibt hier im Forum einige Traubenfreunde, die Beziehungen nach Osteuropa haben und von dort immer wieder neue Sorten organisieren und hier in D testen. Auf deren Erfahrungen würde ich vertrauen. Unser Forums-Moderator Jakob hat schon ca. 800 Sorten getestet und verkauft auch für uns veredelte Reben, bei denen er die Edelreiser organisiert hat oder von seinen Testreben gewonnen hat. Unsere Traubenfreunde, die Beziehungen nach Osteuropa, z.B. Ukraine, haben, sind z.T. übergesiedelte Deutsche aus der ehemaligen Sowjetunion. Sie sprechen perfekt Russisch und wissen, wie man mit den dortigen Anbietern bzw. Züchtern "umgehen" muß. Als hier geborener Deutscher kann man zwar emails in russischer Sprache schicken (mit Google-Translator übersetzt), aber die Adressaten merken, daß man ein "Fremder" ist und reagieren meist nicht.
Jakob verkauft entweder direkt aus seinem Online-shop oder über eine beauftragte Frau über ebay, aber Vorsicht, 99 % der Sorten in ebay taugen nicht viel, nur die von "Switlina" (Jakobs Verkäuferin). Der Verkauf beginnt in etwa April und meist bekommt man das im Forum mit. Ab Verkaufsbeginn sollte man aber öfters in ebay hinein gucken (Stichwort Weintrauben), da Jakob die Veredelung nicht kommerziell macht, sondern nur geringe Mengen (für uns) und die sind schnell ausverkauft. Nach einigen Tagen kann es aber neue und andere Angebote geben.
Es gibt eine polnische Rebschule (vitisplant), die verkauft ab November/Dezember veredelte wurzelnackte Reben. Desweiteren gibt es Slovplant aus der Slowakei. Bei der kann man in diesem Jahr seit 15.3. bestellen, aber die Lieferung erfolgt erst ab November. Bei beiden Rebschulen gibt es ein paar Knackpunkte:
- nicht so gute Sorten wie bei Jakob, aber bessere als in Gartenmärkten und dt. Rebschulen
- bei vitisplant waren vor zwei Jahren bei mir ca. 75 ... 80 % der Reben im Frühjahr nicht erwacht
- Slovplant ist bekannt für sehr unsichere Sortenbeschreibungen. Einige wenige sind OK, aber in der Regel sind Trauben- und Beerengrößen stark übertrieben, die Reifezeit bis 3 Wochen länger und die Pilzfestigkeit deutlich schlechter. Vor einem Kauf bei Sloplant empfehle ich dringend!!!, die interessierenden Sorten in Datenbanken und Foren nachzuschlagen und hier im Forum nach Erfahrungen zu suchen. Die betreffenden Datenbanken und Foren sind zwar in Russisch oder Polnisch, aber eine Übersetzung ist mit dem Google-Translator sehr einfach: Text markieren und mit strg C hinein kopieren und augenblicklich kommt die Übersetzung. Die Qualität der Reben von Slovplant war bisher sehr gut.
Achtung: Alle Anbieter (außer Jakob) haben geschönte Sortenbeschreibungen, denn sie wollen verkaufen. Nicht immer besteht da eine Täuschungsabsicht. Oft sind die Sortenbeschreibungen von den Züchtern übernommen worden und die wollen und müssen auch verkaufen. Also immer recherchieren, ob die Sortenbeschreibungen real sind. Das Lesen in den Foren ist zwar etwas zeitaufwändig, aber es vermeidet Fehlinvestitionen. Foren sind realer als Datenbanken, da manche Einträge in den Datenbanken nur von den Züchtern übernommen wurden.
Foren und Datenbänke findest Du hier im Forum.
Ich empfehle dringend, sich zu Erziehung, Rebschnitt und Ertragsreduzierung kundig zu machen, sonst kommt nichts Sinnvolles heraus. Zur Erziehung findest Du hier im Forum einiges. Man kann auch in Büchern über Tafeltrauben oder in Fassadengrün nachlesen, aber Vorsicht: Es gibt größere Unterschiede bei der Erziehung von Wein- und Tafeltrauben !!! Tafeltrauben brauchen eine viel größere Laubwand als Weintrauben, da ja der Ertrag pro Rebe 15 ... 20 mal so groß ist. Die Maße in den Büchern und in Fassadengrün bezüglich Abständen zwischen den Reben und der Spalierhöhe sind viel zu klein. Meine Reben haben einen Abstand von ca. 2,65 m zueinander und das ist nicht zu viel. Als Anfänger setzt man die Reben viel zu dicht.
Der Anbau von Tafeltrauben ist schon etwas komplex, aber bei Erfolg bekommt man besser schmeckende Trauben als in der Kaufhalle, deren Trauben- und Beerengröße genau so groß oder größer sind und die viel gesünder sind. Die Tafeltrauben aus der Kaufhalle werden ungefähr 1 x pro Woche mit harten Spritzmitteln gespritzt, aber wir bauen zumeist recht pilzfeste Sorten an, bei denen ein 3 ... 4 maliges Spritzen mit milden Spritzmitteln ausreicht.
Du kennst ja die Warnaufdrucke bei Zigaretten. Auch bei Tafeltrauben müßte ein Warnaufdruck darauf, denn der Anbau von Tafeltrauben macht süchtig. Es ist ein sehr schönes Hobby.
