Mit reinem Schwefel (99,9%) spritzen?

09.09.2020 05:42
avatar  Yomogi
#1
Yo

Hallo,

kann man auch mit reinem Schwefel (99,9 %) die Reben spritzen - also mit derartigem Schwefel, dieser auch z.B. zum Begasen von Gewächshäusern genommen wird?


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09.09.2020 13:11 (zuletzt bearbeitet: 09.09.2020 13:17)
avatar  Dietmar
#2
Di

Zitat
kann man auch mit reinem Schwefel (99,9 %) die Reben spritzen - also mit derartigem Schwefel, dieser auch z.B. zum Begasen von Gewächshäusern genommen wird?



Um Deine Frage zu beantworten, muß ich etwas Physik bemühen. Die Oberfläche von Teilchen ist eine Grenzfläche zwischen festen (hier S) und gasförmigen Zustand (hier Luft). An diesen Grenzflächen entstehen mechanische Spannungen auf den Oberflächen bei den festen Teilchen. Je kleiner die Teilchengröße, desto höher werden die mechanischen Spannungen und desto reaktionsfähiger werden die Feststoffteilchen. Das kennt man z.B. von Kohle- und Mehlstaubexplosionen, die ähnlich explosiv sind wie Gasexplosionen. Das nutzte z.B. das Militär für Kohlestaubbomben, die viel mehr Schaden anrichten als Bomben mit Sprengstoff. Allerdings ist man davon wieder abgekommen, da das produktionstechnisch sehr gefährlich ist.

Zum Schwefel: Je kleiner die Schwefelpartikel, desto reaktionsfreudiger sind sie und desto stärker sorgen die Oberflächenspannungen für das Verdampfen des Schwefels. Der verdampfte Schwefel oxydiert ohne Flamme dann zu Schwefeloxiden und die sind giftig für Oidiumpilze. Die Blätter der Reben erhalten dann einen dünnen Gasmantel aus Schwefeloxide. Die Verdampfungsgeschwindigkeit ist auch abhängig von der Temperatur. Bei etwa 15 ... 20 °C dauert es etwa 7... 10 Tage, bis der Netzschwefel verdampft ist, bei über 30 °C sind es ca. 3...4 Tage. Ist der Netzschwefel verdampft, ist die Schutzwirkung dahin. Deshalb ist Netzschwefel im Hochsommer nicht so gut.

Herkömmliches Schwefelpuder hat viel größere Partikel als Netzschwefel. Dadurch sind die Oberflächenspannungen viel geringer und die Verdampfungsgeschwindigkeit ist sehr viel niedriger. Dadurch entstehen zu wenige Schwefeloxide, um die Pilzinfektionen zu bekämpfen bzw. ihnen vorzubeugen.

Die Zusätze im Netzschwefel haben u.a. folgende Aufgaben:
- Verhinderung der kalten Oxydation beim Produktionsprozeß
- Verhindern einer Art Sinterung zwischen des Schwefelpartikeln durch die hohen Oberflächenspannungen und damit einer Verklumpung
- Stabilisierung der Wasser-Schwefel-Suspension und damit langsamere Entmischung der Spritzbrühe

Fazit: Herkömmliches Schwefelpuder eignet sich nicht!!! zum Spritzen.

Beim Schwefelverdampfer verdampft der Schwefel nicht aufgrund der Oberflächenspannung, sondern durch die Heizung des Verdampfers. Dadurch können grobere Fraktionen verwendet werden, denn es wird ohnehin alles eingeschmolzen. Da die Herstellung von Netzschwefel recht aufwändig ist, ist Netzschwefel wesentlich teurer als herkömmlicher Schwefel, den es in 25 kg-Säcken zu drastisch günstigeren Preisen gibt. Schwefelverdampfer sind nur für Gewächshäuser, nicht fürs Freiland geeignet. Da das gesamte Gewächshaus geflutet wird, ist es für den Menschen nicht gesund, das frisch bedampfte Gewächshaus zu betreten. Auch beim Schwefelverdampfer ist die Anwendung im Sommer nicht gut, da im Sommer zur Vermeidung der Überhitzung das Gewächshaus belüftet werden muß.
Positive Nebeneffekte:
- Die Schwefelverdampfer vergiften auch schädliche Insekten, da die Schwefeloxide den ganzen Raum ausfüllen und nicht nur einen Gasmantel über den Blättern bilden.
- Schwefel ist ein Kontaktfungizid, d.h. nur die Stellen werden geschützt, die beim Spritzen benässt wurden. Mit einem Schwefelverdampfer im Gewächshaus werden alle Oberflächen der Reben geschützt.

Ich warne vor dem Kauf von Schwefelpuder zum Spritzen von dubiosen Anbietern. Diese wissen nichts über die o.g. physikalischen Hintergründe oder betrügen bewußt und der Käufer ist dann der Gelackmeierte, da er mit Schwefelpuder spritzt und die Blattoberflächen gelblich sind, aber trotzdem Oidium entsteht. Es gibt nur sehr wenige Hersteller, die technologisch in der Lage sind, Netzschwefel herzustellen und nur deren Produkte sind tauglich.


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09.09.2020 17:59
avatar  Yomogi
#3
Yo

Dann ist der 99,9 % Schwefel wohl nicht mit dem Schwefel vergleichbar, wie du es seinerzeit in einem Beitrag geschrieben hast, in dem es um die Atmosphäre in der ehemaligen DDR ging (finde diesen Beitrag leider nicht mehr)?


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09.09.2020 18:24 (zuletzt bearbeitet: 09.09.2020 18:26)
avatar  Dietmar
#4
Di

Zitat
Dann ist der 99,9 % Schwefel wohl nicht mit dem Schwefel vergleichbar, wie du es seinerzeit in einem Beitrag geschrieben hast, in dem es um die Atmosphäre in der ehemaligen DDR ging (finde diesen Beitrag leider nicht mehr)?



Nicht nur in der DDR war damals der Gehalt an Schwefeloxiden (nicht elementarer S) in der Atmosphäre sehr viel höher als jetzt, aber in den alten Bundesländern gab es nicht so viel Hausbrand mit Briketts und die Rauchgasentschwefelung erfolgte eher, weil die Bauindustrie den entstehenden Gips für Gipskartonplatten und Putz brauchte. Es gibt zwar in der Natur Gipsgestein, aber das hat eine häßliche Ocker-Farbe.

Quellen der Schwefeloxide in der Luft:
- Kohlekraftwerke (jetzt mit Rauchgasentschwefelung)
- Hausbrand mit Briketts
- Papierindustrie und Zelluloseverarbeitung
- Glasindustrie (Schwefeloxide entstehen in großer Menge beim Läutern: Entfernung der Gasblasen aus dem Glas)
- Verbrennung von Benzin und Diesel (früher nicht entschwefelt)
- Petrolindustrie
- Stahlherstellung
- Verarbeitung von sulfitischen Erzen, z.B. Kupfererze (Pyrit - Katzengold)
- Gummiindustrie ( S sorgt für Vernetzung des Rohgummis und damit für die Elastizität = Vulkanisieren)

Ich hatte damals geschrieben, daß so viele Schwefeloxide in der Luft waren, daß Wein nicht gegen Oidium gespritzt werden mußte.

Jetzt ist die Luft fast frei von Schwefeloxiden, was gut für die Lunge ist. Dafür muß jetzt viel gespritzt werden, z.B. Wein, Äpfel, Rosen, Kartoffeln usw.. Außerdem sorgten die Schwefelabgase für eine Schwefeldüngung, was jetzt nicht mehr funktioniert, so daß immer mehr Schwefeldünger eingesetzt werden müssen. Die Pflanzen brauchen S für die Bildung von Eiweiß (auch DNA), Enzymen und Aromen. S ist kein Spurendünger, sondern ein Hauptnährstoff. Bisher brauchte sich keiner darüber den Kopf zu zerbrechen, da ja mit den Schwefeloxiden in der Luft automatisch gedüngt wurde.

Ein Spritzen mit Netzschwefel hat als positive Nebenwirkung eine Schwefeldüngung des Bodens.

Mit den Stickoxiden wird es ähnlich werden. Mit zunehmender Luftreinhaltung fällt die Stickstoffdüngung weg und es wird zu ca. 20 % Ertragsverlusten kommen, wenn nicht durch Stickstoffdünger ersetzt wird.


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09.09.2020 18:53
avatar  Yomogi
#5
Yo

Na wenn ich da so an die Bezirke Halle / Leipzig - und da speziell an die Städte Leuna, Buna und Bitterfeld - zurückdenke, da waren seinerzeit die Straßen gelb vor lauter Schwefel.
Aber du wirst schon recht haben, das es bei dem Schwefel der für die Reben 'nötig' ist, Schwefeloxid sein muss.

Schade, denn mit elementarem Schwefel wäre es günstiger die Reben zu spritzen.

Aber ich probiere es dann halt nächstes Jahr auch ohne Netz-Schwefel (und ohne Polyram) Mehltau frei über die Saison zu kommen.


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09.09.2020 19:09
avatar  jakob
#6
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Zitat von Yomogi im Beitrag #5
Schade, denn mit elementarem Schwefel wäre es günstiger die Reben zu spritzen.


Was? Noch günstiger? ein sack 25kg für 80 euro ist zu teuer? Für 5.000- 6.000l Brühe ist zu teuer? Wieviel liter brauchst im Jahr als ?


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09.09.2020 19:18 (zuletzt bearbeitet: 09.09.2020 19:20)
avatar  Yomogi
#7
Yo

Zitat von jakob im Beitrag #6
ein sack 25kg für 80 euro ist zu teuer?


Für dich mit Sachkundenachweis Pflanzenschutz ist das sicher nicht teuer.
Ich bekomme nur 100 gr Tütchen für ca. 10,-- €.

Oder welches Spritzmittel meinst du für 80,-- € / 25 Kg?


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